Donnerstag, 6. Dezember 2012

Ich brauche eine Brille!

Cornelia Kurth

Eine schreckliche Nacht und eine Nacht der Erkenntnis zugleich, diese Autofahrt über unbekannte Straßen durch regennasse Dunkelheit, in der ich am Steuer sitze und begreife, dass ich eine ziemlich große Gefahr für meine Mitmenschen darstelle: Ich sehe nichts! Die Lichter der entgegenkommenden Wagen blenden, die Straßenbegrenzungsstreifen lassen sich kaum von Asphaltreparaturen unterscheiden und die Buchstaben der richtungweisenden Verkehrsschilder werden erst lesbar, wenn ich schon fast dran vorbei bin. 50 Jahre lang kam ich ohne sie aus, doch nun ist es so weit: Ich brauche eine Brille!

„Du bist doch nicht über Nacht halb blind geworden“, sagt meine Freundin Barbara. „Hast du denn vorher gar nichts bemerkt?“ Gemütlich sitzt sie mir gegenüber auf dem Sofa und hat sich gerade geduldig die Erzählung meiner unheimlichen Autofahrt angehört: Wie ich zu einem Termin in einem der abgelegenen Örtchen bei Porta Westfalica unterwegs war, einer Gegend, in der ich mich eh immer verfahre. Wie ich schon in der Dämmerung merkte, dass ich vom Gas gehen muss, um die Straßenschilder rechtzeitig zu erkennen. Wie es anfing zu nieseln und jeder Lichtschein von draußen sich so an den Wassertropfen auf der Scheibe brach, dass ich nur noch verschwommene Lichter sah. Wie ich etwas Angst vor der Rückfahrt bekam. „Das soll zum ersten Mal so gewesen sein?“

Barbara hat gut reden und fragen. Während ich mich über diesen oder jenen körperlichen Mangel immer damit hinwegtrösten konnte, dass immerhin meine Augen überdurchschnittlich gut seien, ja, über 100 Prozent Sehkraft waren es damals beim Führerschein-Sehtest gewesen, trägt Barbara seit ihrem fünften Lebensjahr eine Brille. Sie kennt es gar nicht anders. Es irritiert sie nicht, dass eines ihrer Sinnesorgane nur mit technischer Unterstützung seinen vollen Dienst leistet. Niemals würde sie aus heiterem Himmel heraus mit einer größeren Verschlechterung ihrer Sehkraft konfrontiert sein, weil es für sie eine Selbstverständlichkeit ist, regelmäßig zum Augenarzt zu gehen und die Werte überprüfen zu lassen. „Eigentlich sollte jeder spätestens ab dem 40. Lebensjahr alle zwei Jahre einen Sehtest machen lassen“, sagt sie.

Jetzt fällt mir ein, dass ich vor etwa fünf Jahren tatsächlich bei einem Augenoptiker gewesen war. Damals hatte ich erstmals festgestellt, dass ich Kleingedrucktes nicht mehr ohne eine gewisse Anstrengung lesen konnte. Nichts Besonderes, nein, es war nur so, dass ich, die ich immer alles lese, was mir unter die Augen kommt und mir auch in der Badewanne die Zeit damit vertreibe zu entziffern, was in winziger Schrift auf den Tuben und Flaschen der Shampoos, Spülungen und Badeöle aufgedruckt ist, eines Tages an die Grenzen der Entzifferungsmöglichkeiten stieß. Ich hätte die Duschgel-Tube so weit von den Augen weg halten müssen, um die Schrift scharf zu sehen, dass die Entfernung für die Mini-Buchstaben einfach zu groß wurde.

Der Augenoptiker, den ich wie beiläufig – „ich komme hier grad so vorbei“ – um einen Sehtest bat, er meinte: „Sie haben noch fast 100 Prozent, aber das wird sich schon aus Altersgründen bald ändern. Wollen Sie sich mal unter den Lesebrillen umsehen?“ Nein! Das wollte ich nicht. Ich kann prima sehen! Wen interessiert schon das Kleingedruckte auf Badutensilien? Der Optiker lachte und meinte: „Ganz wie Sie wollen. Spätestens in drei Jahren sehen wir uns wieder!“ Dem war aber nicht so. Stattdessen kaufte ich mir drei Jahre später eine Billigbrille im Drogeriemarkt. Nur mal so, zum Ausprobieren. Ich bin ein winziges Bisschen weitsichtig, nicht der Rede wert. Statt die eher unbequeme Brille zu nutzen, lese ich Bücher am ausgestreckten Arm.

Nun allerdings geht es darum, dass auch meine Weitsicht deutlich nachlässt. Und wie ich es in dieser Regennacht spürte, ist das, anders als die Kurzsichtigkeit, nicht mehr meine Privatsache. Ich gefährde auch andere Menschen mit meinen Sichtproblemen im Verkehr.
Je mehr ich mich dieser Tatsache stelle, desto mehr Situationen fallen mir jetzt doch ein, in denen ich Unsicherheit beim nächtlichen Autofahren spürte: Vor zwei Jahren das leichte Schneetreiben während einer Fahrt durch das Ausfallstraßengewirr von Hameln, wo ich nur selten unterwegs bin. Hätte mein junger Beifahrer nicht für mich die Schilder gelesen und mich rechts, links dirigiert, ich wäre verzweifelt. Oder – vor einem Jahr – die große Unsicherheit auf einer Autofahrt durchs dunkle Kalletal, als dort überall die Straßen repariert wurden und neue Schilder Umwege über kleine Dörfer auswiesen: Wie habe ich mich da verfahren, weil ich die Aufschriften nicht schnell genug erkennen konnte.

Barbara schüttelt den Kopf und kann es nicht fassen. „Was nur hat dich daran gehindert, zum Augenarzt zu gehen?“ – Vielleicht der Umstand, das ich eben noch nie beim Augenarzt gewesen war?
Meine Freundin ist über zehn Jahre jünger als ich. Anders als in meiner Grundschulzeit, gab es an ihrer Schule einen Sehtest für alle Kinder, bei dem sich herausstellte, dass sie die Buchstaben an der Tafel nur mit einer Brille klar erkennen würde. Barbara fand das durchaus spannend, zumal ihre beste Freundin bereits eine Brille trug und auch ihre Eltern von jeher Brillenträger waren. „Ich fühlte mich dadurch nicht irgendwie schwach, sondern eher erwachsener“, meint sie. O – ich erinnere mich: Auch meine beste Freundin trug eine Brille, als einzige in der Klasse. Mindestens einmal in der Woche wurde sie von spöttischen Mitschülern eingekreist, die um sie herum sprangen und „Brillenschlange, Brillenschlange“ skandierten.

Und dann meine Eltern, die, so wie ich, bis zum Alter von etwa 50 Jahren höchstens mal Sonnenbrillen trugen, bis mein Vater dann vom Flohmarkt kam und eine kleine, alte Drahtbrille mitbrachte, die er von da an zum Lesen aufsetzte. Es schien nur ein Spaß zu sein, eine spielerische Freude an der Antiquität. Dabei war es durchaus ernst. Immer mehr solcher altmodischen Brillen fand er auf seinen Streifzügen, Brillen in verschiedenen Stärken, damit er stets das Richtige parat hätte. Erst 15 Jahre später ließ er sich ein Brillenrezept vom Arzt ausstellen. Meine Mutter, die lange stolz darauf gewesen war, mit Mitte 50 noch prima ohne Brille auszukommen, sie erhielt dann doch eine Lesebrille, ein eher unschönes Ding, durch dessen Gläser ihre Augen seltsam vergrößert wirkten. Nichts, um das man sie beneidet hätte.

„Wie kann man nur so verdreht sein und sich so haben?“ fragt Barbara. Was sie beträfe, sie empfände nichts als Dankbarkeit ihrer Brille gegenüber. „Ja – Dankbarkeit!“, betont sie. „Ohne Brille wäre ich verloren.“ Sie nimmt die Brille mit dem schmalen dunklen Rahmen ab und guckt brillenlos aus ihrer Sofaecke rüber in meine Sofaecke. „Wenn ich nicht wüsste, dass du es bist, ich könnte nur raten“. Dann setzt sie die Brille wieder auf, und ich registriere erstmals, wie gut sie ihr steht, wirklich, fast wie ein Schmuckstück. Hätte es für meine Eltern damals diese leichten Brillen aus dünn geschliffenem Glas oder Kunststoff mit dieser unendlichen Vielfalt an unterschiedlichen Modellen gegeben, sie hätten sich sicher nicht so angestellt.

Auch bei mir ist jetzt Schluss mit der Anstellerei, ein Termin beim Augenarzt wird gemacht und beim Sehtest stellt sich heraus, dass tatsächlich eine deutliche Sehschwäche vorliegt, auf dem einen Auge mehr als auf dem anderen und sowohl, was das Sehen in der Nähe als auch in die Ferne betrifft. Der Augenoptiker, der mir voraussagte, dass ich ihn bald wieder besuchen würde, er hatte nicht mit meiner Ignoranz gerechnet, sein Geschäft wurde bereits vor einiger Zeit geschlossen, so dass ich mich beim Brillenkauf nicht demütig an ihn wenden kann. Ich wähle den ersten besten und muss nun noch zwei Tage warten, bis die Gläser für mich ankommen.

Inzwischen stoße ich auf die kürzlich veröffentlichte Allensbach-Studie zum Thema Brillen mit Zahlen aus dem Jahr 2011 und kann nur staunen. Ich glaubte, als Brillenträgerin nun zu einer Minderheit zu gehören, dabei ist es genau umgekehrt. Fast zwei Drittel aller erwachsenen Bundesbürger, insgesamt etwas mehr als 40 Millionen Deutsche, tragen eine Brille, die meisten von ihnen täglich, die anderen gelegentlich, zum Beispiel beim Lesen oder Autofahren. Diese hohen Zahlen haben sich unter anderem den Sehtests zu verdanken, die seit den 1970er Jahren mit steigender Flächendeckung an Kindern und Jugendlichen vorgenommen werden. (1952 waren nur 43 Prozent der Deutschen Brillenträger, überwiegend Menschen im Alter von über 60 Jahren). Barbara beglückwünscht mich zu meiner Entscheidung. „Du wirst bald noch viel weniger allein sein als du bisher meintest“, sagt sie, die die Allensbach-Studie ebenfalls kennt. „Allein sind nur diejenigen Leute über 60, die keine Brille brauchen. Das sind nämlich nur ganze sechs Prozent.“ Mir ist das längst egal. Ich erwarte meine Brille und die nächste Gelegenheit zu einer Autofahrt durch Dunkelheit und Nieselregen. In dieser spätwinterlichen Schmuddelwetterzeit werde ich wohl nicht lange warten müssen – und dann hoffentlich alles mit ganz neuen Augen sehen. (Artikel 25.2.2012)

Liebe oder Sodomie

Cornelia Kurth

Dass Menschen liebevolle, zärtliche Beziehungen zu Tieren haben, ist eine Selbstverständlichkeit. Der Hund schläft mit im eigenen Bett, das Pferd wird dick auf die Schnauze geküsst, die Katze hingebungsvoll gekrault und für nicht wenige sind Tiere einfach die besseren Menschen. Abscheu und Empörung allerdings löst es aus, wenn jemand Tiere sexuell begehrt. Verboten war Sex mit Tieren bisher allerdings nicht.
Als im Jahr 1969 der berüchtigte Paragraf 175 abgeschafft wurde, stand nicht nur die Homosexualität nicht mehr unter Strafe, sondern auch die „Sodomie“, die sogenannte „Unzucht mit Tieren“, wurde aus dem Strafkatalog entfernt. Jetzt allerdings will der Bundestag das Tierschutzgesetz novellieren, was unter anderem bedeutet, dass sexuelle Handlungen an Tieren mit Bußgeldern bis zu einer Höhe von 25 000 Euro belegt werden können.

Der Deutsche Tierschutzbund ist „zufrieden“, die „Grünen“ fordern weitergehende Änderungen, die auch Gefängnisstrafen für zoosexuelle Handlungen vorsehen, eine Mehrheit für die Gesetzesänderung, die Mitte Dezember beschlossen werden soll, gilt als sicher, und nur eine kleine Gruppe von Menschen, die sich selbst als „zoophil“ bezeichnen, ist geschockt darüber, dass ihre ohnehin geächtete „sexuelle Hingezogenheit zu Tieren“ nun auch offiziell wieder unter Strafe stehen soll. „Zoophilie“ gilt allgemein als „Paraphilie“, als eine gestörte, von der gesellschaftlichen Norm abweichende Sexualpräferenz. Keine Frage, so scheint es, dass die Würde der Tiere höher anzusetzen ist als das Begehren von Menschen mit einer „abartigen“ Sexualität, und dass es dabei belanglos ist, was die Betroffenen zur neuen Regelung zu sagen haben.

Trotzdem lohnt sich ein genauerer Blick auf die Zusammenhänge. Nicht umsonst meint zum Beispiel der Schaumburger Amtstierarzt Dr. Ulf Güber, seit 20 Jahren im Fachbereich Tierschutz des Veterinäramtes beim Landkreis tätig, die Novellierung des Tierschutzgesetzes sei eine „undankbare Materie“. Zwei nicht unproblematische Aspekte kommen da nämlich zusammen.
Zum einen sind alle Handlungen, die Tieren einen „erheblichen Schaden“ zufügen, bereits jetzt verboten. Wer ein Tier quält oder ihm Verletzungen zufügt, macht sich auf jeden Fall strafbar, ebenso, wer zoosexuelles pornografisches Material verbreitet. Für die Verfolgung von „Pferderippern“, Sadisten, Menschen, die ein Tier mit ihren sexuellen Handlungen verletzen, oder solchen, die sich einem nicht in ihrem Besitz befindlichen Tier mit sexuellen Absichten nähern, benötigt man keine Gesetzesänderung.
Zum anderen nehmen Menschen in wirtschaftlichen und medizinischen Zusammenhängen ständig „sexuelle Handlungen“ an Tieren vor. Pferde, Schafe, Kühe – für fast alle Nutztiere gibt es keine „artgerechte“ Sexualität mehr. Die meisten Tiere werden kastriert, während ausgewählten männlichen Zuchttieren durch Menschenstimulation möglichst viel ihres kostbaren Samens entlockt wird, um die weiblichen Tiere damit künstlich zu befruchten. In der tierärztlichen Hochschule Hannover lernen Studenten, wie man etwa Hunde masturbiert, unter anderen, weil das gewonnene Ejakulat für fortpflanzungstechnische Untersuchungen benötigt wird.
„Deshalb heißt es im Text des Gesetzentwurfes ja auch, dass es um solche sexuellen Handlungen gehen soll, die der ,Befriedigung des menschlichen Sexualtriebes‘ dienen“, erklärt der Amtstierarzt. „Es soll verhindert werden, dass Tieren aus egoistischen Gründen ein artwidriges Verhalten aufgedrängt wird.“ Ob Tiere einen seelischen Schaden erleiden, wenn sie zum aktiven oder passiven Sex mit Menschen eingesetzt würden, das sei allerdings schwer zu sagen. „Tatsache bleibt: Nur sexuell fehlgeprägte Tiere würden von sich aus auf einen Menschen zugehen.“ Ihm fällt ein von Hand aufgezogener Schimpanse ein, den er während seiner Ausbildung in einem Zoo kennenlernte und der, statt die brünstige Schimpansin in seinem Gehege zu beachten, entschieden nur an blonden Frauen unter den Zoobesuchern interessiert war. „Solche Tiere tun einem einfach nur leid.“

Claudia Daum, Tierärztin in Obernkirchen, sieht das nicht anders. „Sex mit Tieren ist eindeutig ein Missbrauch des Tieres“, sagt sie. „Bestenfalls lässt es sich die Sache gefallen, es hat davon nichts. Primaten wie Schimpansen können zwar auf Menschen geprägt werden, auch wenn ich von jedem sexuellen Kontakt schon aus eigenen Sicherheitsgründen abraten würde – doch bei Hunden zum Beispiel ist so eine Prägung gar nicht möglich. Wo Rüden auf ein menschliches Bein aufreiten, wollen sie keinen Sex, sondern sie behaupten damit ihre Dominanz, ebenso wie Kühe, die auf Geschlechtsgenossinnen aufreiten.“ Nun gibt es zoophil ausgerichtete Menschen, die sich sicher sind, dass eine Art Liebesbeziehung zu einem Tier möglich ist. In einem Internetforum, wo über politische und gesellschaftliche Fragen und aktuell auch über die Novellierung des Tierschutzgesetzes diskutiert wird, gibt sich einer der Teilnehmer als „zoosexuell“ zu erkennen, und versucht, den anderen zu erklären, was es für ihn damit auf sich hat.

Er sei verliebt in eine Stute, erzählt er. Die stünde zusammen mit einem Hengst auf der Weide seines Reitvereines, dessen Annäherungen sie aber auch im rossigen Zustand verschmähe, da er ihr zu ruppig sei. Er dagegen habe sie umworben, sie spazierengeführt, Karotten spendiert, zärtlich gestreichelt, und als er wagte, sich ihr sexuell zu nähern, sei sie nicht zurückgewichen, geschweige denn habe sie sich mit Ausschlagen gewehrt, sondern sie habe es sich ruhig gefallenlassen. Er liebe dieses freundliche Tier, und auch, wenn ihm klar sei, dass die Stute diese Liebe nicht gleichberechtigt zurückgeben könne, so wolle er eine echte Beziehung. Es habe doch etwas zu bedeuten, dass sie ihn dem Hengst gegenüber bevorzuge.

„Das ist alles Unsinn“, meint Claudia Daum. „Hier projiziert jemand Gefühle auf ein Tier, die mit dem Gefühlsleben des Tieres nicht das Geringste zu tun haben.“ Amtstierarzt Ulf Güber betont ebenfalls, dass Haustiere oft mit Projektionen von menschlichen Beziehungsmustern überfrachtet werden, die an deren eigenen Bedürfnissen vorbeigingen. „Man kann sein Tier knuddeln, mit ihm schmusen, aber sobald das zu einer geschlechtlichen Beziehung wird, muss ich dem Gesetzentwurf zustimmen.“ Ziemlich empört kritisiert er eine Folge der Sendung „Bauer sucht Frau“, wo gezeigt wurde, wie der Bauer einem Huhn, das sich vor ihn niederduckt, kurzerhand den Daumen einführt. Er habe ja keinen Hahn auf dem Hof, so die Erklärung des Bauern, während er auf die Henne zeigt, die sich schüttelt, als habe sie gerade einen „Hahnentritt“ erhalten.

Aus der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Reproduktionstechnische Einheit, heißt es auf die Anfrage, ob sexuelle Handlungen an Tieren grundsätzlich zu einer seelischen Beeinträchtigung der betroffenen Tiere führten, zum Beispiel der Hunde, die man durch gezielte Bewegungen mit der menschlichen Hand zum Samenerguss führe, man wolle sich zu diesem Thema nicht äußern. Man selbst würde sachlich und fachlich und unter Ausnutzung ihrer natürlichen Verhaltensweisen mit den Tieren umgehen, mit eigentlichen sexuellen Handlungen habe das nichts zu tun.
Wie unscharf da allerdings die Grenzen sind, kann man aus der Erzählung einer Kollegin von Tierärztin Claudia Daum entnehmen. Die berichtete ihr, wie eine Studentin, die sich einem Hund gegenüber recht ungeschickt anstellte, vom entnervten Dozenten gefragt wurde, ob sie denn keinen Freund habe.

Bleibt also weiterhin die Frage, ob solche sexuellen Handlungen, die zu keinem sichtbaren Schaden der Tiere führen, explizit verboten werden müssen, während man andererseits Hunden Kostüme anziehen, Vögel in Käfigen halten oder Pferde zu Dressurpferden erziehen darf. Kritiker des Novellierungsvorhabens wenden ein, dass es nicht angehen könne, die Anpassung an gesellschaftliche Normen per Gesetz erzwingen zu wollen, und selbst Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, zeigt sich skeptisch darüber, ob die Gesetzesänderung wirklich für große Fortschritte im Tierschutz sorge.
„Es ist noch jahrelang erlaubt, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. In der landwirtschaftlichen Tierhaltung werden weiterhin Qualzucht und Brandzeichen zugelassen. Auch Tierversuche an Menschenaffen bleiben legal“, sagte er kürzlich in einem Interview für die Süddeutsche Zeitung. Die Bundesregierung habe in Sachen Tierschutz versagt und hefte sich nun mit dem Verbot der Zoophilie einen Orden an, den sie nicht verdiene.

Dr. Ulf Güber gibt, als Befürworter der geplanten Gesetzesänderung, immerhin zu bedenken, dass hier zwar die Würde des Tieres im Vordergrund stehe, die Menschenwürde dabei aber nicht vernachlässigt werden dürfe. „Zoosexualität findet wohl fast immer im stillen Kämmerlein statt“, sagt er. „Es kann wohl kaum angehen, dass man ab sofort in die Privatsphäre von Menschen eindringen darf, um festzustellen, ob da was Verbotenes in Bezug auf Tiere stattfindet, was sich durch tierärztliche Untersuchungen nicht feststellen ließe.“