Mittwoch, 6. März 2013

EU contra E-Zigarette

Cornelia Kurth

Helmut Gerth hat in seinem Rintelner Fachgeschäft für Vorwerk-Staubsauger einen kleinen Shop eingerichtet, wo er elektronische Zigaretten verkauft und die dazugehörigen Liquids, die in den E-Zigaretten verdampft werden. Das ist sein zweites geschäftliches Standbein. "Ich fürchte allerdings, dieses Bein wird mir wohl bald abgehackt werden", sagt er. Demnächst soll die Neue Europäische Tabakproduktrichtlinie abgesegnet werden, und wenn das geschieht, ist es vorbei mit dem 'Dampfen' und für Händler wie mich."

Was ihn daran besonders wütend macht, ist die Begründung für die geplante Gesetzesänderung in Bezug auf die E-Zigarette. "Man bringt das Argument gesundheitlicher Fürsorge - im Übrigen ist die EU gar nicht zuständig für Fragen der Gesundheitspolitik - und ignoriert dabei, dass längst in renommierten Studien belegt wurde: Der Dampf einer E-Zigarette ist nur einen winzigen Bruchteil so schädlich wie der Rauch von verbranntem Tabak." In sein Geschäft kämen fast ausschließlich Kunden, die eine Alternative zum Rauchen suchen, nicht selten sogar auf Empfehlung ihres Arztes. "Ich kenne keinen Nichtraucher, der plötzlich Lust bekommen hätte, mit dem Dampfen anzufangen."

Nun sieht die neue Tabakproduktrichtlinie in erster Linie Verschärfungen rund um den Tabakkonsum vor. Zigarettenpackungen sollen mit Schreckensbildern versehen, aromatisierende Zusatzstoffe wie Menthol, Bezeichnungen wie "light" oder die dünnen "Slim"-Zigaretten verboten werden. Ein kleiner Absatz aber widmet sich auch den E-Zigaretten, ungeachtet der Tatsache, dass sie gar keinen Tabak enthalten, nur den im Labor hergestellten Wirkstoff Nikotin. Genau das Nikotin, nach dem die allermeisten "Dampfer" verlangen und das in unterschiedlichen hoher Konzentration in den aromatisierten Verdampfungsflüssigkeiten enthalten ist, soll nun reglementiert werden.
"Während Raucher weiter rauchen dürfen und sich damit neben dem Nikotin auch krebserregendes Kohlenmonoxid, Teer und die Sucht steigernde Zusatzstoffe zuführen, soll der Nikotingehalt der Liquids so weit reduziert werden, dass er nicht mehr den gewünschten Effekt auslöst", so Helmut Gerth. "Das ist doch total widersinnig!" Die große Mehrzahl der Dampfer wollen eine Nikotinkonzentration zwischen elf und 18 Milligramm pro Milliliter. Vorgesehen ist jetzt eine Obergrenze von vier Milligramm, wobei eine Verbrauchseinheit nie mehr als zwei Milligramm Nikotin enthalten darf - alles abwegig für jemanden, der vom Rauchen aufs Dampfen umgestiegen ist.

Auch Bernd Niewelt, Rintelner Fach- und Onlinehändler für Bedarf rund um die E-Zigarette, kann nur den Kopf schütteln. "Da gibt es nun eine Alternative zum Rauchen, eine eigentlich großartige Erfindung für alle, die auf Nikotin nicht verzichten können oder wollen, und dann soll das einfach kaputtgeschlagen werden? Das wäre in meinen Augen Wahnsinn. Mit Gesundheitspolitik hat das überhaupt nichts zu tun, es geht da ganz einfach nur ums Geld." Er selbst kümmere sich schon gar nicht mehr um das, was angestellt werde, um die E-Zigarette vom Markt zu fegen. "Ich gehe einfach optimistisch davon aus, dass sich der gesunde Menschenverstand und die Vernunft durchsetzen werden. Schließlich musste das E-Zigarettenverbot in NRW ja auch per Gerichtsbeschluss wieder zurückgenommen werden."

Von allen Rauchern, die versuchen aufzuhören, sind gerade mal drei, höchstens fünf Prozent nach einem Jahr noch rauchfrei, so sagt es die Statistik. Die Erfolgsquoten sehen zwar besser aus für diejenigen, die nicht aufgeben und sich auf therapeutische Rauchentwöhnungsprogramme einlassen. Die Deutsche Krebsgesellschaft aber veröffentlicht auf ihren Internetseiten Zahlen, nach denen etwa ein Viertel der erwachsenen Deutschen regelmäßig rauchen, davon 30 Prozent über 20 Zigaretten pro Tag und etwa 2,5 Prozent mehr als 40 Zigaretten täglich. "Lungenkrebspatienten gehören fast immer zu diesen schwer abhängigen Rauchern", heißt es da. (Davon, dass der Dampf der E-Zigarette erwiesenermaßen keinerlei krebserregende Stoffe enthält, steht nichts auf der Seite.)

Angesichts solcher Fakten im Gesetzesentwurf damit zu argumentieren, die E-Zigarette müsse quasi verboten werden, weil sie nicht vom Nikotin wegführe, das sei einfach nur deprimierend, so Helmut Gerth. "Höher konzentrierte Nikotin-Liquids sollen die äußerst kostspielige Prüfung zum Arzneimittel bestehen müssen und dann nur noch als Mini-Einheiten in Apotheken verkauft werden", sagt er. "Dabei weiß man doch längst, dass nikotinhaltige Entwöhnungsmittel kaum zum endgültigen Rauchstopp führen. Seltsames 'Arzneimittel'".

Anders als Online-Fachhändler Bernd Niewelt, der einfach nicht glauben will, dass derart "dreiste" EU-Lobbypolitik sich in den der Gesetzesverabschiedung noch anstehenden Überprüfungen durchsetzen wird, hat sich Helmut Gerth vorsichtshalber schon auf eine Zukunft ohne sein zweites geschäftliches Standbein E-Zigarette vorbereitet. Er wird eine weitere hochwertige Staubsaugermarke in sein Programm aufnehmen. "Mir tun all die vielen kleinen Händler leid, die dann in den Abgrund gerissen werden", sagt er. "Und auch die Dampfer, von denen der größte Teil erneut zur Tabakzigarette greifen wird, mit all den harten gesundheitlichen Konsequenzen."

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