Mittwoch, 6. März 2013

Wie man mit dem Rauchen aufhört - E-Zigarette

Cornelia Kurth

Die Erkältung dauerte gar nicht so lange an. Nur der Husten, der mit ihr einherging, er blieb, o, selten habe ich so lange und so viel herumgehustet. Und dabei wagte ich nach eine Weile nicht mehr zu klagen oder irgendwo Mitleid einzuholen, denn: Die ganze Zeit rauchte ich weiter meine Zigaretten. Dass ich süchtig bin nach den "Wohltaten" des Nikotins - ich weiß es ja. Wie weit es damit aber erneut gekommen ist, wurde mir erst jetzt wieder wirklich klar. Nun naht das Jahresende und ich will, ich muss die Gelegenheit nutzen, mit dem Rauchen aufzuhören. Leider fällt mir sofort Mark Twains berühmt-ironischer Statement ein: "Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft."

Auch ich habe es schon mehrmals geschafft. Beim ersten Mal, vor langer, langer Zeit, gelang es durch meinen damaligen Freund, der den Rauchgeruch nicht mochte und drohte, mich nicht mehr zu küssen, wenn ich weiter rauche. Ich liebte ihn, also beugte ich mich dem Druck und entsagte meinen selbstgedrehten Zigaretten, die ich seit dem 16. Lebensjahr in immer weiter sich steigernder Anzahl geraucht hatte. Am ersten Tag litt ich zwar, doch ich tat es für die Liebe, und für das gute Gefühl, nicht mehr als abschreckendes Beispiel dazustehen für den in den 1980er Jahren überall groß auf Plakaten gedruckten Satz: "Wer küsst schon gerne einen Aschenbecher?" Es ist ja wirklich nicht schön, einem anderen Menschen Gerüche zuzumuten, die ihn ernsthaft belästigen.

Am zweiten Tag regte sich ein gewisser Trotz in mir: "Wenn er mich wirklich mag, wird er ja wohl das bisschen Rauchgeruch ertragen können!" Am dritten Tag war ich ernsthaft böse auf ihn und seine Intoleranz. Und als er sich an Tag vier darüber beschwerte, dass ich Knoblauch gegessen hatte, machte ich erstmal einen Spaziergang, besorgte mir was zu Rauchen, genoss, trotz schlechtem Gewissen, das anflutende Wohlgefühl und erkannte für alle Zukunft, dass äußerlicher Druck und Zwang zwar eine Methode sein mag, um mit dem Rauchen aufzuhören, doch keine, um das Wiederbeginnen zu verhindern.
Weitere lange Jahre waren mein Tabak und ich unzertrennlich, bis ich eines Sommers in den Dänemarkferien mal ausnahmsweise ohne mein Rauchzeug eines Meeresspaziergang unternahm und feststellte, dass mir die Zigaretten gar nicht fehlten. Die Sonne, der Wind, die salzige Lust, das wunderbare Feriengefühl, all das machte meinen Suchtstoff Nikotin, diesen Endorphin-Produzenten, überflüssig. Unter dem mitternächtlichen Sternenhimmel versprach ich meiner Mutter, mit der zusammen ich den Vollmond betrachtete, von nun an dem Rauchen abzuschwören.

Tatsächlich hielt ich es noch zwei Ferienwochen durch. Doch auf der Rückfahrt, im Autobahnstau, stieg ein derartig bedrängendes Kribbeln und Flirren in mir hoch, dass ich die nächste Raststätte ansteuerte, um mir Zigaretten zu kaufen. Wieder zuhause, und den Anspannungen des Arbeitsalltages ausgesetzt, war der Mitternachtsschwur dann schnell endgültig gebrochen. Ich schämte mich meiner Schwäche, ja, doch war ich andererseits froh, die Tröstungen des Nikotins wieder entgegenzunehmen. Erkenntnis Nummer Zwei: Mit Rauchen aufzuhören, wenn ringsum die Welt in Ordnung ist, macht den Anfang leicht. Doch ohne wirklich Willenskräfte in sich versammelt zu haben, fordert die Sucht schnell erneut ihr recht.
Mit Ende 30 stellte ich fest, dass ein Päckchen Tabak, aus dem ich an die 50 Zigaretten drehen konnte, keine zwei Tage mehr hielt. Meine Schwester sagte mir, sie habe Angst, ich könne jung an Lungenkrebs sterben, die Schwägerin machte sich über meine gewisse Kurzatmigkeit lustig, mein Bruder hatte es schon ein Jahr geschafft, nicht mehr zu rauchen, und ich stieß im Internet wie zufällig auf einen Artikel über Zigaretten aus einem "Knaster" genannten Tabak, der gar kein Tabak ist, sondern ein Gemisch aus unterschiedlichen Kräutern, die keinerlei Suchtstoffe enthalten und dadurch den Ausstieg aus der Nikotinabhängigkeit erleichtern sollen - man raucht nach der Methode "Trick 17 mit Selbstüberlistung".

Ich war begeistert, ja geradezu euphorisch. So könnte ich es schaffen! Ich würde mich des Nikotins entwöhnen, dabei aber wenigstens das orale Vergnügen des Rauch-Inhalierens beibehalten, und nach und nach dann wie von selbst auch das Kräuterzeugs mehr anrühren. Meine Mitbewohner könnten diese Begeisterung zwar nicht unbedingt teilen, da der "Knaster"-Qualm ungefähr so roch, als habe man einen Haufen feuchter Blätter angezündet, ich aber täuschte mich über das Verlangen nach Nikotin darüber hinweg, dass ich, sehr zum Amüsement der Verkäuferinnen im Teeladen, jede Menge unterschiedlicher Kräutertees einkaufte, um mir daraus Tabake zu mischen, die nicht mehr so nach Waldbrand riechen würden.
Hart war es trotzdem, dieser Selbstüberlistungsentzug. Immer, wenn mich die Sehnsucht nach meiner Droge überkam, zündete ich den Kräuterstängel an, um nach dem zweiten Zug ja festzustellen, dass die erhoffte Wirkung ausblieb. Doch konnte ich mich damit über die Suchtanfälle hinüberretten und wirklich: Nach einigen Wochen gab es immer häufiger Tage, an denen ich gar nicht rauchte und schließlich wurde der Kräutertee wieder getrunken, der "Knaster" aber vertrocknete in der Schublade. Mein ganzer Lebenswandel revolutionierte sich. Ohne Zigaretten bedeutete mir der Wein kaum noch etwas, ohne einen abendlichen Wein, der mich zu schriftstellerischen Taten anregte, ging ich viel früher ins Bett, stand früher auf, sah gesünder aus, nahm etwa sieben Kilo zu und gewann die Erkenntnis, dass das Herausschleichen aus einer Sucht durchaus ein gangbarer Weg ist.

Warum ich dann doch wieder das Rauchen begann, ja es mir, nach fünf Jahren ohne Tabakgenuss, mühsam antrainierte (die ersten Zigaretten schmeckten scheußlich und kratzen fürchterlich im Hals) - ich weiß es nicht! Lag es daran, dass es mir so schien, als seien meine Artikel nicht mehr so inspiriert wie zuvor, oder daran, dass mich häufiger als in meiner Raucherzeit, melancholische Verstimmungen heimsuchten (nicht umsonst wohl neigen manche Menschen eher als andere dazu, sich aufmunternde Substanzen einverleiben zu wollen) - wie aus dem Nichts heraus jedenfalls kaufte ich mir eines Tages eine Schachtel Zigaretten, und kaum war ein Monat vorbei, gehörten die rauchlosen fünf Jahre in eine ferne Vergangenheit.
"Wenn ich im Himmel nicht rauchen darf, gehe ich nicht hin", auch das schrieb Mark Twain. Eine Art Raucherhimmel eröffnete sich mir vor etwa einem Jahr, als ich von der E-Zigarette erfuhr, die eigentlich keine Zigarette ist, sondern eine per Akku betriebene "Dampfe", indem das Gerät mit dem Aussehen einer Zigarettenspitze aromatisierte, nikotinhaltige Flüssigkeiten in einen Dampf verwandelt, den zu inhalieren fast dasselbe Gefühl auslöst wie das Tabakrauchen, nur, dass man dabei auf die etwa 4000 Schadstoffe verzichtet, die bei der Tabakverbrennung entstehen. selbst die größten Kritiker der E-Zigarette mussten zugeben, dass das Dampfen unendlich viel weniger schädlich sei als das Rauchen. Vom ersten Zug an war ich glücklich und zufrieden, und meine Umgebung auch, da der Dampf nur leicht duftet und ganz schnell verfliegt.

Fröhlicher hatte ich noch nie einen Rauchstopp durchgezogen. Es war kein Entzug, es war ein Vergnügen. Kein Leid, keine Melancholie, kein Verzicht, dafür eine körperliche Erholung wie sie auch sonst eintritt, wenn man nicht mehr raucht - was Mark Twain wohl davon gehalten hätte? Und ob er eine Erklärung für mich hätte, warum ich nach fünf Monaten doch wieder eine Selbstgedrehte versuchte, nach noch eine und noch eine, und diese rasante Art, das Nikotin ins Gehirn zu schicken gegenüber dem langsameren Anfluten beim Dampfen so viel überzeugender erschien, dass die "Dampfe" dort landete, wo bereits der Knaster abgelagert wurde?
Seit vielen Monaten rauche ich wieder. Seit zwei Wochen geht dieser Husten einfach nicht weg. In wenigen Tagen beginnt das Neue Jahr, in dem ich keine Zigaretten mehr rauchen will. Ich nehme keinen Tabak mit, wenn ich zu meiner Familie fahre, dafür aber, um es mir leichter zu machen, die E-Zigarette, die schon einmal so hilfreich sein konnte. Mark Twain sagt mir: "Eine Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterprügeln, Stufe für Stufe." Sie ist schon fast unten angekommen.

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