Sonntag, 16. Januar 2011

Bernt Ture von der Mühlen

Gute Bücher in die richtigen Hände bringen

Eine lebhaft vorgetragene Empfehlungsliste des Buchwissenschaftlers Bernt Ture von der Mühlen

Rinteln. (cok) "Gebt und Bücher, gebt uns Flügel!" - diese berühmten Worte von Astrid Lindgren passen wunderbar zu dem höchst unterhaltsamen Vortrag über lesenswerte Buchneuerscheinungen, den der Buchwissenschaftler Bernt Ture von zur Mühlen in der Buchhandlung Sedlmair hielt. Insgesamt zwanzig Romane, Erzählungsbände und Sachbücher stellte er mit so viel Begeisterung und Anekdotenwissen vor, dass man jedes Einzelne hätte kaufen mögen, um sich von all den Geschichten davontragen zu lassen.

Der gelehrte, rhetorisch sehr begabte Mann schrieb nicht nur zahlreiche Studien zum klassischen Antiquariat und zur Geschichte des Verlagswesens, er arbeitet auch als Dozent für Deutsche Literatur und Verlagsgeschichte an den Schulen des deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main. Nicht verwunderlich also, dass seine erste Buchempfehlung eines Band voller Geschichten über verrückte, gar mörderisch fanatische Büchersammler galt, Alexander Pechmanns "Das Haus der Bücherdiebe".

"Gute Bücher müssen in die richtigen Hände kommen", so rechtfertigt darin ein spanischer Priester seine Mordtat um eines wertvollen Buches Willen. Bernt Ture von zur Mühle selbst geht natürlich nicht über Leichen, aber das Anliegen seiner Buchvorstellungen, die er seit 25 Jahren in ganz Deutschland durchführt, besteht durchaus darin zu zeigen, dass es für fast jeden Lesetyp ein wirklich gutes Buch zu entdecken gibt. Noch lange nach dem Vortrag blieben die Zuhörer im Laden, blätterten in den ausgelegten Büchern und freuten sich, nun jede Menge Geschenkideen für die ganze Reihe der Freunde und Verwandten zu haben.

Melinda Nadj Abonjis autobiographischer Roman über das Seelenleben einer serbischen Flüchtlingsfamilie in der neuen Heimat Schweiz, der gerade in einem spannenden Auswahlverfahren den Deutschen Buchpreis erhielt, er sei für ihn selbst eine große, dabei äußerst positive Überraschung gewesen, hätte er doch gemeint, Peter Wawerzinek würde diese Auszeichnung erhalten mit seiner düster bedrückenden Autobiographie "Rabenliebe", der von einer grausam treulosen Mutter handelt.

Beide Bücher und auch alle folgenden fasste er in lebendigen Worten zusammen, ohne Redemanuskript, mit lebhafter Mimik über das kleine Rednerpult gebeugt, Inhaltsangaben, die selbst schon wieder Geschichten waren. Günter Grass' "Liebeserklärung" an Jakob Grimm, den ersten deutschen Philologen, Märchensammler und Organisator des etymologischen "Grimmschen Wörterbuchs" konnte er, dabei gar kein Grass-Liebhaber, nur in den höchsten Tönen loben, ebenso wie ein Büchlein von diesem Jakob Grimm, seine "Rede über das Alter", die klug, sehr ernst und gleichzeitig sehr humorvoll sei, so dass man sie ohne Bedenken an einen wirklich alten Leser verschenken könne.

Die "Urfassung" von Jack Kerouacs Hippie-Klassiker "On the Road" empfahl er als zeitlose Lektüre für junge Leute ebenso wie "Meine kaukasische Großmutter" des "Russendisko"-Autors Wladimir Kaminer oder "Amsterdam und zurück" von Marente de Moor, ein geistreicher Roman über die Art, wie sich russische Immigranten in den Niederlanden so durchschlagen. Auch das Sachbuch "Die zweite Erfindung der Welt", eine Anekdotensammlung über erstaunlich viele Entdeckungen, die die Menschheit erst vergessen und dann neu erfunden hatte (Floris Cohen) und Reinhold Messners "On Top" über großartige Bergsteigerinnen fanden sich auf seiner Empfehlungsliste wieder.

Seine eigene Biographie über Hoffmann von Fallersleben, dem Autor der Nationalhymne und fast aller bekannten älteren Kinderlieder, wagte er auch zu erwähnen, und wenn er so anschaulich und anregend schreibt, wie er reden kann, dann dürfte auch das eine schöne Leseempfehlung sein. Bert Ture von zur Mühlen wird im nächsten Jahr erneut in die Buchhandlung Sedlmair kommen. Jetzt liegen dort seine Lieblingsbücher aus, und die Buchhändlerinnen werden gewiss noch beflügelt genug sein, sie in seinem Sinne weiterzuempfehlen.

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